FeuilletonKintopp

Die Entstehung eines Mythos

Der lange Weg zu Star Wars

von Rolf Giesen

Lexikon des phantastischen Films • 1984

Voraussichtliche Lesezeit rund 15 Minuten.

George Lucas musste sich entscheiden, was er nach dem Erfolg von American Graffiti machen wollte: Apocalypse Now oder Star Wars. Zwei nun wirklich sehr gegensätzliche Projekte – das eine ein Antikriegsfilm, das andere ein in den Weltraum verlegter Kriegsfilm. Lucas hätte gern beides gemacht, trotz des offensichtlichen Widerspruchs. Er ging zu seinem Ziehvater Francis Ford Coppola, der Apocalypse Now produzieren wollte, um ihn zu bitten, das Projekt bis nach Star Wars aufzuschieben, aber Coppola wollte nicht warten und inszenierte das Ding auf eigene Faust.

Also blieb nur noch der Krieg der Sterne, von dem allerdings nicht mehr als ein 13-seitiges Exposé existierte: Es spielt im 23. Jahrhundert und schildert die Flucht der Rebellenprinzessin Leia Aguilae vor einem bösen galaktischen Diktator und ihre Gefangennahme durch denselben. Befreit wird das Mädel von dem Jedi-General Luke Skywalker, seinem Freund Annikin Starkiller und zehn Rebellenjungen zwischen 15 und 18 Jahren.

Krieg der Sterne

Mit dem Exposé unter dem Arm meldete sich Lucas bei David Picker von United Artists an, aber der fand das alles technisch zu kompliziert und winkte ab, genauso wie Ned Tanen von Universal/MCA, mit dem Lucas ohnehin im Clinch lag. Um so interessierter zeigte sich Alan Ladd jr. von der Twentieth Century-Fox, der Lucas für einen »äußerst talentierten jungen Nachwuchsfilmer« hielt und ihm deswegen die große Chance gab.

In den folgenden zwei Jahren deckte sich Lucas reichlich mit Comic- und Science-Fiction-Lektüre ein, sah sich Unmengen von alten Filmen an, wie Forbidden Planet und Day the World Ended, und mühte sich mit mehreren Drehbuchversionen ab.

In der ersten Fassung sind der junge Kane Starkiller, 18 Jahre alt, und General Luke Skywalker, ein betagterer Herr in den frühen Sechzigern, die einzigen Überlebenden eines Massakers, das die bösen Sith-Ritter unter den Jedi-Bendu angerichtet haben. Die beiden hüten das Geheimnis von der ›Macht der anderen‹, einem mystischen Bund der Jedi-Ritter, der ihnen überirdische Kräfte verleiht. Gegenspieler der Jedi sind Prinz Valarium, der Schwarze Ritter der Sith, und sein finsterer Adlatus Darth Vader. Dazu gibt es noch zwei abgetakelte sprechende Roboter namens C-3P0 und R2-D2 (ursprünglich ein Kürzel für Rolle 2, Dialog 2) und die Wookies, zwei Meter vierzig große Rebellenpiloten mit grauem Pelz. Allein Han Solo ist noch ein grünes Halbmonster mit Kiemen statt Nase.

Die zweite Fassung, die am 28. Januar 1975 fertig war, trug den Titel ›Die Abenteuer von Starkiller‹, Teil eins vom Krieg der Sterne (schon ging die Sache mit den Fortsetzungen los …) und spielte in der von Bürgerkriegen und gesetzlosem Barbarismus erschütterten Republik Galactica. Im Mittelpunkt stand die Suche nach dem Kiberkristall, der die ›Macht der anderen‹, ›ein mächtiges Energiefeld …, das das Schicksal aller Lebewesen bestimmte‹, beherrschte. Die Macht hatte eine gute Seite, Ashla genannt (eine Anspielung auf den Löwen Aslan, das Symbol für Christus in den Narnia-Büchern von C. S. Lewis), und eine böse, Bogan oder Para-Macht geheißen. Auf der Ashla-Seite des Guten standen der alte Skywalker und seine zwölf Söhne, die zu den Jedi-Bendu gehörten und von der dunklen Seite der Macht unter dem hünenhaften Lord Vader vernichtet wurden. Vaders Gegenspieler im erbitterten Kampf um den Kiberkristall war der mit einem silbernen Bart ausgerüstete und deswegen schon gottväterliche Starkiller.

Luke Skywalker war jetzt ein junger Bursche, der seinen älteren Bruder Deak aus Vaders Klauen befreit. Leia ist die Tochter von Owen Lars und seiner Frau Beru und scheint Lukes Cousine zu sein. Die beiden besuchen das Grab seiner Mutter, die mit seinem Vater auf einem Planeten umgekommen ist, der vom Todesstern vernichtet wurde. Han Solo ist ein junger Pirat und früherer Schiffsjunge; er ist überall dabei, wo was los ist, hat einen Bart und kleidet sich extravagant, eine kaum vertuschte Version Francis Coppolas. Han hat jetzt auch eine Freundin, eine ein Meter fünfzig große Kreuzung aus Braunbär und Meerschweinchen, namens Boma. Chewbacca, Hans zweihundertjähriger Wookiee-Gefährte, hat riesige affenartige Pranken, große gelbe Augen und trägt einen Patronengürtel, eine Fliegerjacke und braune Shorts. Die Roboter fangen an, ihrer endgültigen Form zu ähneln, als sie Luke in seiner Suche nach dem Bruder beistehen – R2-D2 kann nicht sprechen, sondern verständigt sich durch Piepsen und andere Geräusche … Das Drehbuch endet mit dem Hinweis auf das nächste Kapitel der Star-Wars-Saga, in dem Lars’ Familie gekidnappt wird und eine gefährliche Suche nach der ›Prinzessin von Ondes‹ einsetzt. Mittlerweile hatte Lucas genug Stoff für drei Filme.¹

Im dritten Drehbuch vom 1. August 1975 war Luke ein Bauernjunge, Sohn des berühmten Jedi-Ritters Annikin Starkiller. Er wächst unter der Obhut seines verbitterten Onkels Owen Lars auf, der das schwarze Schaf der Familie ist und sogar Lukes Ersparnisse stehlen muss, um seine Farm vor dem Ruin zu retten. Derweil gelingt es der 16-jährigen Prinzessin Leia, im Roboter R2-D2 eine Botschaft mit den Plänen des gefürchteten Todessterns zu deponieren, bevor sie von Darth Vader überrumpelt wird. Luke findet den Roboter und überredet den ›heruntergekommenen alten Wüstenfuchs‹ Ben Kenobi, einen ehemaligen Kampfgefährten seines Vaters, sowie dem Raumschiff-Cowboy Han Solo samt Copilot Chewbacca, die Prinzessin zu befreien. Ben wird im Schwertduell mit Vader verletzt, kann aber von Luke und Han noch rechtzeitig gerettet werden, um den wertvollen Kiberkristall weiterzugeben, mit dessen (und nicht der Macht) Hilfe der Todesstern angegriffen und zerstört wird.

Zum Schluss kam die folgende Geschichte heraus:

Im galaktischen Imperium ist eine Rebellion ausgebrochen, denn der Imperator hat die letzten Relikte der alten Republik abgeschafft, um die eine Million Systeme im Sternenreich ein für allemal unter seiner Herrschaft zusammenzuschmieden. Das ›absolute Machtinstrument im Universum‹, der Todesstern, soll den Stützpunkt der Rebellen-Allianz ausfindig machen und vernichten.

Einige Rebellen, unter ihnen Prinzessin Leia Organa, die als Senatorin des Planeten Alderaan dem (inzwischen aufgelösten) galaktischen Rat angehörte, konnten die technischen Daten der fliegenden Superfestung in ihren Besitz bringen, werden aber, bevor sie diese ihren Mitrebellen überbringen können, von einem imperialen Raumschiff abgefangen. Die Prinzessin kann die Daten gerade noch in einem staubsaugergroßen Roboter, R2-D2, speichern und diesen mit seinem goldschimmernden Blechfreund C-3P0 (der verdammt an den Roboter aus Metropolis erinnert) auf die Suche nach General Obi-Wan Kenobi schicken, der sie statt ihrer übermitteln soll – dann landet sie auch schon in den Klauen des schwarzvermummten, maskierten und mit Samuraihelm versehenen Lords Darth Vader und seiner Stormtroopers und wird auf den Todesstem verschleppt.

Auf Tatooine, ihrem sandigen Bestimmungsplaneten (nach dem Vorbild von Frank Herberts Der Wüstenplanet geschnitzt), werden die beiden Roboter von den im Schrotthandel tätigen Jawas, quirligen Zwergen mit funkelnden Augen, gefangengenommen und an den Gewürzfarmer Owen Lars verkauft. Dessen Adoptivsohn Luke Skywalker soll die Roboter fortan warten. Bei dieser Gelegenheit spielt ihm R2-D2 die Botschaft der entführten Prinzessin vor, und Luke weiß auch gleich, wer Obi-Wan sein könnte: der alte Eremit Ben Kenobi. Tatsächlich ist Ben mit dem gesuchten General identisch – ein alter Jedi-Ritter, der in den legendären Klon-Kriegen für die Republik gekämpft hat, wie übrigens auch Lukes (angeblich toter) Vater, der – laut Kenobi – der beste Kampfpilot gewesen ist, den er je kennengelernt hat. Gemeinsam stritten sie für die ›Freiheit des Universums‹, im Wissen um das Geheimnis der ›Macht‹, der ›Kraft‹ (alias ›the Force‹). Die ›Macht‹ – das ist ein göttliches Prinzip, das ist Religion ebenso wie Magie, Instinkt und Tradition alles Guten.

… die Kraft ist etwas, mit der ein Jedi sich einlassen muss. Sie ist zwar nie zureichend erklärt worden, aber manche Wissenschaftler haben die Theorie aufgestellt, sie sei ein von Lebewesen erzeugtes Energiefeld. Die frühen Menschen haben ihr Vorhandensein vermutet, blieben aber Jahrtausende unwissend, was ihr Potenzial anging.

Nur bestimmte Einzelne konnten die Kraft erkennen als das, was sie war. Sie wurden aber unbarmherzig etikettiert: Scharlatane, Schwindler, Mystiker – und Schlimmeres. Noch weniger Menschen konnten sie anwenden. Da sie meist außerhalb ihrer primitiven Steuerung stand, war sie häufig zu mächtig für sie. Sie wurden von ihren Zeitgenossen missverstanden – und Schlimmeres … Die Kraft umgibt jeden einzelnen von uns. Manche glauben, dass sie unsere Handlungen bestimmt, und nicht umgekehrt. Das Wissen über die Kraft und wie sie zu handhaben sei war es, die dem Jedi seine besondere Macht verlieh.²

Kenobi ist, ganz offensichtlich, eine Mischung aus Merlin und Gandalf, dem Zauberer aus Carlos Castanedas Tales of Power und, wie sich noch zeigen wird, einem schwertkämpfenden Toshiro Mifune, der ursprünglich Wunschkandidat für die Rolle war, bevor sie an den Briten Sir Alec Guinness ging.

Noch offensichtlicher sind die mit religiösen Hintergedanken servierten moralischen Absichten George Lucas’:

Ich wollte einen Film machen, der die zeitgenössische Mythologie fördern und gleichzeitig eine neue Art von Moral verkünden sollte. Niemand geht der Sache wirklich auf den Grund, wir begnügen uns immer mit irgendwelchen Erklärungen. Keiner sagt seinen Kindern heute noch: He, hör mal, das ist richtig, und das ist falsch.

Obi-Wan dagegen sagt noch, was richtig und was falsch ist. Falsch war es, dass er Darth Vader ausbildete, der sich der dunklen Seite der »Macht« verschrieb und zum Diener des Bösen, sprich: des Imperators, wurde. Diesen Fehler will der General nun an Luke, dessen Pflegeeltern inzwischen von den Verfolgern der Roboter umgebracht worden sind, gutmachen. Skywalker wird zum Zauberlehrling des weisen Kenobi.

Später, in Mos Eisley, einem verrufenen Raumhafen, finden der General, sein Schüler und die beiden Roboter einen geeigneten Piloten, der willens ist, sie nach Alderaan überzusetzen, wo sie die Botschaft Leias überbringen wollen. Es handelt sich um den Schmuggler und Glücksritter Han Solo, Kapitän des schrottreifen Überlicht-Jets ›Millennium Falcon‹, der – für gutes Geld, versteht sich – gemeinsam mit seinem Ersten Offizier Chewbacca, einem baumlangen 300 Jahre alten Hominiden, den riskanten Job übernimmt.

Unterdessen hat auch der Todesstern Kurs auf Alderaan genommen. Grand Muff Tarkin, Befehlshaber der Festung, will den Heimatplaneten der Prinzessin vernichten, falls ihm Leia nicht verrät, auf welchem Stern die Rebellen ihren Stützpunkt haben. Die Prinzessin versucht zu lügen, doch es hilft nichts: Alderaan wird zerstört. Als der ›Millennium Falcon‹ das Gebiet erreicht, wo sich Alderaan befand, zieht ihn ein Schleppstrahl ins Innere des Todessterns. Ein schlechter Schachzug des Diener des Imperiums, denn jetzt können Luke, Han und Chewbacca die bereits auf ihre Hinrichtung wartende Leia mit Leichtigkeit in einem Stoßtruppunternehmen befreien. Allein Obi-Wan entkommt nicht. Der Schwarze Lord versperrt seinem alten Lehrer den Fluchtweg und entkörperlicht den Meister mit seinem Laserschwert. Doch darauf hat Obi-Wan im Grunde nur gewartet: Einmal seiner fleischlichen Hülle entledigt, geht Kenobis Geist, geht seine unsterbliche Seele ein in das große Geheimnis der ›Macht‹.

Den anderen glückt die Flucht zum Rebellenstützpunkt, der sich auf dem vierten Mond des unbewohnbaren Gasplaneten Javin befindet, doch dank eines Peilstrahls weiß jetzt auch der Gegner, wo sich die Rebellen verborgen haben. Glücklicherweise ermitteln die Rebellencomputer aus den überbrachten Daten den wunden Punkt der nahenden Kampfstation: einen kleinen Thermalabgas-Ausgang, der unmittelbar in das Hauptreaktorsystem führt, das die fliegende Festung mit Energie versorgt. Ein direkter Treffer würde eine Kettenreaktion auslösen und den Todesstern in Stücke reißen. Es folgt eine unglaubliche Luftschlacht, Luftkampfbildern aus alten Wochenschauen und Kriegsfilmen exakt nachgestellt, in deren Verlauf Luke plötzlich die Stimme des mächtigen Kenobi-Geistes hört, die ihn auffordert, im Vertrauen auf die ›Macht‹ den Zielcomputer auszuschalten und sich ganz auf sein Gefühl, seinen Instinkt zu verlassen. Worauf Luke, mit geschlossenen Augen und bei Höchstgeschwindigkeit, den vernichtenden Torpedo just über dem Zwei-Meter-Ziel abwirft. Eine gewaltige Explosion zerreißt den Todesstern.

Die Schlussszene entspricht den Bildern aus Leni Riefenstahls NS-Parteitagsfilm Triumph des Willens von 1934: Im Thronsaal des Rebellenstützpunkts nimmt Leia Organa vor versammelter Mannschaft die Siegerehrung der drei Musketiere des Weltalls vor: Luke, Han und Chewbacca. Der Imperator war einstweilen bezwungen – übrigens auch in echt, denn sein zweifelhaftes Vorbild, US-Präsident Richard M. Nixon, war inzwischen, watergategeschädigt, zurückgetreten. Und mit dem neuen Präsidenten, Jimmy Carter, schienen für Amerika wieder hoffnungsfrohe Tage zu kommen … Trügerischer Schein!

Für Lucas stand nie infrage, dass es eine Fortsetzung von Krieg der Sterne geben würde. Bei der Überlegung, wo er seinen frisch erworbenen Reichtum am besten investieren konnte, brauchte Lucas nicht lange zu suchen: Er selbst war seine beste Anlage. Er lieh Lucasfilm zwanzig Millionen Dollar als Bürgschaft für einen Bankkredit, der zur Finanzierung von Das Imperium schlägt zurück benötigt wurde. Lucas hatte immer einen Unterschied gemacht zwischen dem Geld seiner Firma und seinem Privatvermögen, doch er wusste, dass er und Marcia (Lucas, seine Frau) bei einem Reinfall mit dem Imperium in den gleichen finanziellen Schwierigkeiten wie Lucasfilm stecken würden …

Fox hatte Lucas zehn Millionen Dollar geliehen, damit er Krieg der Sterne drehte, und sechzig Prozent der Einnahmen eingestrichen. »Ich fand das ein bisschen unverschämt«, sagt Lucas. »Aber ich meinte: Okay, ihr habt das Risiko übernommen. Jetzt bin ich bereit, es mit dem Nächsten zu riskieren. Dafür setze ich gern mein eigenes Geld ein.« Lucas teilte der Fox mit: »Mit den sechzig Prozent ist es jetzt vorbei. Jetzt können wir anfangen zu verhandeln.« Die Reaktion des Studios war vorhersehbar. »Sie waren absolut empört«, erinnert sich Lucas. »Als der Spieß umgedreht wurde und dasselbe System jetzt gegen sie arbeitete, fühlten sie sich verraten und verkauft.«

Die Vereinbarungen für Das Imperium schlägt zurück, die (Lucas-Anwalt) Tom Pollock aushandelte, waren für Hollywood-Maßstäbe unüblich. Für den Anfang bekam Lucasfilm fünfzig Prozent der Bruttoeinnahmen, ein Anteil, der schließlich auf siebenundsiebzig Prozent stieg. Fox musste für alle Verleihkosten (wie Filmkopien und Werbung) aufkommen und war nur für einen Zeitraum von sieben Jahren zum Verleih des Films berechtigt – danach fielen alle Rechte an Lucas zurück. Dieser besaß außerdem sämtliche Fernseh- und Verwertungsrechte. Fox hatte eine Vorauszahlung von zehn Millionen Dollar zu leisten, die man durch Garantiesummen der Kinobesitzer abdeckte.

Fox befand sich in Aufruhr wegen Lucas’ Forderungen, musste sich jedoch fügen. Das Studio besaß lediglich eine Option auf Das Imperium schlägt zurück, und Lucas machte deutlich, dass er den Film mit Freuden an anderer Stelle anbieten würde, falls Fox seine Bedingungen ablehnte. Dass er dies konnte, war zwar anfechtbar, doch niemand bei Fox hatte Lust auf einen vierjährigen Rechtsstreit, wenn statt dessen Geld verdient werden konnte. Der Vertrag wurde aufgesetzt und am jüdischen Festtag Jom Kippur, einem Tag der Buße, Alan Ladd jun. vorgelegt. Tom Pollock zu Ladd: »Dies ist dein Sühnetag.«¹

Ladd, der diese Konditionen akzeptierte, hatte damit eine schlechte Position im eigenen Haus und kehrte der Fox endlich am 4. Juli 1979 den Rücken, um seine Ladd Company ins Leben zu rufen.

Dennoch konnte die Geschäftsführung von Twentieth Century-Fox später Terrain zurückgewinnen, als Lucas den Gang nach Canossa antreten und, weil er das Budget überzogen hatte, um eine Bankbürgschaft betteln musste, und ließ sich ein günstigeres Verleih-Abkommen ausstellen.

Krieg der Sterne war, was Aufbau und Ablauf der Story anging, relativ simpel, eine zwar protzig in Szene gesetzte, doch im Kern einfach-naive Fabel, eine Kopie der alten SF-Serials mit ihrer klaren Schwarz-Weiß-Zeichnung: hier gut – da böse. Eindimensional, könnte man sagen. Das Imperium schlägt zurück ist von anderem Kaliber: Die Handlung verläuft auf mehreren Ebenen. Nicht mehr nur inhaltlich, sondern auch dramaturgisch ist das Serial-Vorbild spürbar, die Aufteilung in Fortsetzungen innerhalb des Streifens durch Unterteilung der Story in drei verschiedene Blöcke und innerhalb der sich anbahnenden Star-Wars-Serie, indem der Zuschauer nach dem Schema Ende offen und mit der Ankündigung Fortsetzung folgt (in wenigen Jahren) aus dem Kino entlassen wird.

Im ersten Block, der Vorbilder aus dem Kriegsfilmgenre am wenigsten verleugnen kann, greifen in Stop Motion wandelnde imperiale Riesenpanzer den Schlupfwinkel der Rebellen-Allianz auf dem Eisplaneten Hoth an (einer dieser Snow Walkers wird filmwirksam bezwungen wie der Riese aus dem Micky-Maus-Film The Brave Little Tailer von 1938). Manche Bilder erinnern einen irgendwie an den deutschen Angriff auf Norwegen 1940 (tatsächlich ließ Lucas in Norwegen drehen). Der zweite Block ist Fantasy und erinnert ganz entfernt an Tolkien. Auf dem Sumpfplaneten Dagobah belegt Luke Skywalker einen Fortgeschrittenenkursus im Umgang mit der ›Macht‹ bei einem gewissen Yoda (der vom Muppets-Meister Frank Oz belebt und gesprochen wird). Dieser Yoda mit den langen Ohren war schon der koboldhafte Lehrer Kenobis und seines Vaters. Aber Luke bricht die Übungen vorzeitig ab, um – im dritten Block – seinen in der Himmelsstadt Bespin (für die augenscheinlich die fliegende Stadt der Falkenmenschen aus dem Serial Flash Gordon Modell gestanden hat) festgesetzten Freuden zu helfen, wo es zu einer ernsten Laserschwert-Konfrontation zwischen ihm und Darth Vader kommt.

Lucas’ größtes Problem war die Offenbarung, dass Darth Vader Lukes Vater ist. Nach Krieg der Sterne wussten die Zuschauer, dass Luke der Held war und nicht getötet werden konnte. »Wenn ihr ein Publikum herumkriegen wollt, müsst ihr es glauben machen, dass ihr als Filmemacher etwas durch und durch Gemeines vorhabt«, erklärt Lucas seinen Mitarbeitern. George wollte, dass das Publikum annahm, Luke würde todsicher Vader umbringen – mit allen fürchterlichen Implikationen des Vatermords. Er dachte auch an Teil drei von Star Wars, wo »wir alle zur endgültigen Konfrontation zusammenbringen«.

Außerdem wollte Lucas in Das Imperium schlägt zurück seine Version der Geschichte Christi erzählen. Luke enthauptet Vader in einer unterirdischen Höhle, nur um in Vaders schwarzem Helm seinen eigenen Kopf zu finden; das ist die Entsprechung zur Versuchung Jesu in der Wüste. In ihrem Endkampf fordert Vader Luke mit der finsteren Seite der Macht heraus, doch er verliert – oder? Die Schlußeinstellung von Luke und seinem neuen mechanischen Arm dient zur Erzeugung der Vorstellung, Luke könnte sich in einen Vader verwandeln – wie der Vater, so der Sohn.¹

Die drei Blöcke sind praktisch unverbunden aneinandergeklebt, fließen in einem unglaublichen Tempo, aber der Fluss mündet nirgendwo. In Bewegung gehalten wird das Wasser des Flusses ohne Mühe durch die sage und schreibe vierhundertzwei (!) in Lucas’ hauseigenner Industrial Light & Magic Corporation fabrizierten Trickaufnahmen, gegen die sich die alles in allem zwei Küsse eher bescheiden ausnehmen.

Unbescheiden dagegen wirkte Lucas’ Ankündigung, die Star-Wars-Saga (denn das war es inzwischen) auf neun Folgen zu drei Trilogien zu konzipieren. Krieg der Sterne selbst war nun nicht mehr Teil 1, sondern – mit dem neuen Untertitel A New Hope – Teil 4 (resp. Teil 1 der 2. Trilogie), Das Imperium schlägt zurück Teil 5 (resp. Teil 2 der 2. Trilogie).

Abgeschlossen wurde die 2. Trilogie 1983 durch Die Rückkehr der Jedi-Ritter. Längst hatte Lucas selbst der aufreibenden Regietätigkeit ade gesagt (Das Imperium schlägt zurück wurde von Irvin Kershner, Die Rückkehr der Jedi-Ritter von Richard Marquand in Szene gesetzt) und sich auf die Funktion eines Über-Walt-Disney beschränkt. Jedi beweist ganz klar, dass dieser neue Disney wohl langsam die Nase voll hat von seiner eigenen Superkreation. Mit der linken Hand wirbelt er verwandtschaftliche Beziehungen und Protagonisten durcheinander, dass es ein reines Wunder ist.

Luke trat näher an sie [Leia Organa] heran. Leise und ruhig sagte er: »Ich will, dass du das weißt, weil …, ich vielleicht nicht zurückkomme. Und du die einzige bist, der ich vertrauen kann. Darth Vader ist mein Vater.«

»Dein Vater?« Leia spürte, dass ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Sie machte sich los. »Nein, das kann ich nicht glauben!« Es konnte nicht wahr sein. Luke war ein tapferer, ehrenhafter Jedi-Ritter. Er konnte nicht der Sohn des unmenschlichen Monstrums sein, das ihre Welt zerstört hatte. Sie schüttelte den Kopf. »Sprich nicht so. Du musst am Leben bleiben. Ich will tun, was ich kann, aber ich bin im Vergleich zu dir nicht von Bedeutung. Du hast besondere Kräfte, ich habe es erlebt. Die Rebellion braucht dich.«

»Nein, Leia«, sagte Luke müde. »Die Lebenskraft ist in allem, was existiert. Die Rebellion wird bestehen, lange, nachdem ich nicht mehr bin.« Sein Gesicht war von Trauer gezeichnet. Er wirkte um Jahre gealtert. »Du musst noch etwas erfahren«, fuhr er nach einer Pause fort. »Die Kraft in dir ist stark, Leia, weil du meine Schwester bist, meine Zwillingsschwester. Wenn ich nicht zurückkomme, bist du die letzte Hoffnung für die Allianz.«

Leia stand regungslos vor ihm. Sie dachte an ihre wahre Mutter und an ihre Adoptiveltern. Sie wusste, dass Luke die Wahrheit sagte.«³

Als schon alles verloren scheint, als der zombiehafte Imperator Luke zu vernichten droht, schlägt sich Darth Vader, nachdem ihn Luke im Laserduell besiegt hat, auf die Seite seines Sohnes, packt den Kaiser von hinten und wirft den Zappelnden in einen tiefen Schacht, wo alles explodiert.

Überall loderten Flammen auf. Luke mühte sich mit der schwarzen Last seines Vaters ab, um ihn durch das Chaos zu einer Fährrakete zu schleppen. Schließlich brach er zusammen. Er hatte keine Kraft mehr.

»Geh, mein Sohn«, flüsterte sein Vater. »Lass mich allein.«

»Nein«, sagte Luke. »Ich muss dich retten.«

»Das hast du schon getan, Luke.«

Luke schüttelte den Kopf. »Vater, ich verlasse dich nicht.« Seine Stimme schwankte. Die Explosionen rückten immer näher.

Darth Vader zog ihn nah zu sich heran. »Luke, hilf mir, die Maske abzunehmen.«

»Dann stirbst du«, widersprach Luke.

»Das ist nicht mehr aufzuhalten. Ich will dich nur einmal ohne sie ansehen. Mit meinen eigenen Augen.«

Langsam nahm Luke die Maske seines Vaters ab. Dahinter sah er das Gesicht eines traurigen alten Mannes, dessen Augen voller Liebe waren. »Es ist zu spät, Luke, zu spät!« stieß sein Vater hervor.³

Skywalker senior ist tot und wird als Geist vereint mit den zwei anderen großen Toten: Obi-Wan & Yoda. Glücklich verfolgen die drei Geister die fröhliche Siegesfeier der Lebenden, wo es zum Happy End kommt für Leia und Han. Ende gut – alles gut.

© 1984/2002 by Rolf Giesen

Quellen:

¹) Pollock: Sternenimperium. Das Leben und die Filme von George Lucas.

²) Lucas: Krieg der Sterne.

³) Star Wars. Die Rückkehr der Jedi-Ritter. München 1983

Literatur
  • American Cinematographer: Star Wars. No. 7, Hollywood 1977.
  • ›Behind the Seenes of The Empire Strikes Back‹. In: American Cinematographer Vol. 61 No. 6, Hollywood 1980.
  • Claire aoumt: ›Le matin du magielen. George Lucas et Star Wars‹. In: Ecran No. 61, Paris 1977.
  • Alex Eisenstein: ›From Star Wars to The Empire Strikes Back‹. In: Fantastic Films Vol. 3 No. 7, No. 8, Chicago 1981.
  • Donald F. Glut/George Lucas: Das Imperium schlägt zurück. München 1980.
  • Andrew Gordon: ›Star Wars. A Myth for Our Time‹. In: Literature/Film Quarterly No. 4, Salisbury 1978.
  • Thomas A. Johnson: ›Exclusive Interview: John Dykstra Supervisor of Miniatures and Special Photographic Effects for the Space Fantasy Epic – Star Wars‹. In: Fantasy Film Journal No. 1, Memphis 1977-78.
  • Arthur Lubow: ›The Star Wars War I: A Space ›Iliad‹ ‹. In: Film Comment No. 4, New York 1977.
  • George Lucas: Krieg der Sterne. Das Buch zum Film. München 1978.
  • Paul Mandell u. a.: ›Making Star Wars‹. In: Cinefantastique Vol. 6 No. 4, Vol. 7 No. l, Oak Park 1978.
  • Dale Pollock: Sternenimperium. Das Leben und die Filme von G. Lucas. München 1983.
  • Richard Patterson: ›Producing and Directing Return of the Jedi‹. In: American Cinematographer Vol. 64 No. 6, Hollywood 1983.
  • Die Rückkehr der Jedi-Ritter. Das Buch zum Film. München 1983.
  • Don Shay (Hg.): ›Jedi Journal. Richard Edlund, Dennis Muren, Ken Ralston‹. In: Cinefex No. 13, Riverside, California 1983.

• Auf epilog.de am 15. Juli 2002 veröffentlicht

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